Wenn alles gleichzeitig passieren muss

Es gibt Drehs, die Geduld verlangen. Andere erfordern Kontrolle. Und dann gibt es Drehs wie diesen — bei denen alles parallel läuft und kein Schritt auf den anderen wartet. Wenn ein Einsatz nicht sitzt, bricht das Timing zusammen. Rösten, Schneiden, Rühren, Anrichten, Kamera bewegen — alles muss exakt ineinandergreifen. Keine zweite Chance. Kein sauberer Neustart. Nur Timing, Präzision und Routine.

Wir sind in diesen Dreh gegangen mit dem Wissen, dass es kein gemütlicher Kochabend wird. Die Kürbisstücke lagen bereits im Ofen, während die Knoblauchknolle auf dem Brett zermalmt wurde. Paprika und Zwiebel folgten Schlag auf Schlag. Gleichzeitig schob sich der Slider langsam in seine erste Makroposition. Während ich das Licht anpasste, hatte meine Frau die Requisiten bereits verschoben, um den nächsten Winkel vorzubereiten. Wir bewegten uns schnell, aber nie chaotisch. Jeder Handgriff war geplant. Und musste sitzen.

Hier wird nichts nacheinander gedreht. Die Brühe köchelt, während das Gemüse röstet. Die Creme wird erwärmt, während der Kranarm in Position schwenkt. Das Topping wartet genau dann, wenn die Kamera ihren finalen Weg nimmt. Wenn ein Schritt aus dem Takt gerät, können wir nicht einfach „noch mal“ machen. Das Essen wartet nicht auf die Kamera. Es läuft weiter. Und wir müssen Schritt halten.

Was diese Momente so fordernd macht, ist nicht die Anzahl der Schritte, sondern die Geschwindigkeit, mit der sie zusammenlaufen. Der Slider muss genau dann anfahren, wenn der Knoblauch in die Pfanne fällt. Der Kran darf erst stehen, wenn der Guss perfekt sitzt. Makroaufnahmen leben von Sekundenbruchteilen. Meine Frau und ich müssen dabei kaum noch sprechen. Nach so vielen Drehs reicht ein Blick. Wir wissen genau: Jetzt.

Das Anrichten war der finale Kulminationspunkt. Die Suppe auf den Punkt. Die Konsistenz perfekt. Die Creme an der richtigen Stelle. Die Kamera auf Schienen wie ein Uhrwerk. Im Hintergrund ein kontrollierter Sturm, auf dem Monitor eine scheinbar ruhige Szene. Das ist das Paradox dieser Arbeit: Je chaotischer es sich hinter der Linse anfühlt, desto makelloser wirkt das Ergebnis.

Als die Kamera schließlich auf den Punkt einrastete, entstand dieser eine Moment, in dem alles zusammenkam. Das Bild, das wir den ganzen Tag gejagt hatten. Kein Zufall, kein Glück. Präzision unter Druck. Es ist der Augenblick, der süchtig macht. Die Ausrüstung brummt, die Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld, die Timer blinken rot – und trotzdem passt alles.

Viele Menschen glauben, Food-Filming sei ruhig, elegant, beinahe meditativ. Das ist es nicht. Es ist ein organisiertes Improvisationsstück. Fünf Dinge müssen gleichzeitig funktionieren – und man vertraut darauf, dass das eingespielte Timing trägt. Wenn es funktioniert, ist es Magie. Wenn nicht, atmet man tief durch, stellt alles zurück und legt erneut los.

Genau das hält diese Drehs lebendig. Diese Unberechenbarkeit. Die Herausforderung. Der Reiz, mitten in einer echten Küche ein visuelles Erlebnis zu inszenieren. Es ist nicht die sterile Perfektion, die es stark macht. Es sind die präzisen Entscheidungen im entscheidenden Moment, die dem Ganzen Puls geben.

Schau es dir hier (noch einmal) an - https://youtu.be/PlL9OAK9so8

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Hinter den Kulissen des Wiener Schnitzels