Chaos, Timing und die perfekte Ramen-Einstellung

Das Filmen von Tan Tan Ramen war nicht einfach nur eine Frage des Geschmacks – es ging darum, das Chaos zu bändigen. Wir verbrachten Tage damit, die Bewegung des Sesam-Chili-Öls im heißen Sud so einzufangen, dass sie wie flüssiges Gold wirkte. In unserem kleinen Studio wurde jedes Wölkchen aus Dampf zu einem eigenen Darsteller. Die ersten Versuche waren ein Nebel-Desaster – das Objektiv beschlug ständig, und die Highlights verschwammen zu einem milchigen Schleier. Am Ende half ein offenes Fenster, ein provisorisch montierter Ventilator und meine Frau, die unermüdlich mit einem Stück Karton fächerte, damit der Dampf gerade so viel Bewegung bekam, dass er tanzte statt zu ersticken. Als es endlich gelang, sah das Bild lebendig aus – als würde die Suppe unter der Kamera atmen. Genau das ist die Magie des Food-Filmings: Der schönste Moment liegt oft nur einen Atemzug vom Chaos entfernt.

Wir begannen in Chengdu – zwischen Garküchen, brodelnden Woks und Straßen voller Energie. Ein Verkäufer schöpfte Nudeln aus einem Topf, der aussah, als gehöre er in ein Labor für Vulkane. Das Material hatte diese rohe, authentische Wucht. Dann, im Schnitt, wechselten wir nach Tokio – dorthin, wo selbst das Neonlicht im Takt zu kochen scheint. Ich wollte diesen Gegensatz: die Hitze Chinas trifft auf die Präzision Japans. Meine Frau nannte es „organisierte Hitze“ – ein Begriff, der hängen blieb. Die Umstellung zwischen diesen Welten war enorm: erst spontane Handkamera, dann minutiöse Motion-Control-Bewegungen. Jeder Frame musste beiden Kulturen gerecht werden – und trotzdem unseren eigenen Stil atmen.

Zurück im Studio begann die eigentliche Choreografie. Das Mischen von Hackfleisch, Ingwer und Mirin – eine Szene, die auf dem Bildschirm mühelos wirkt – dauerte zwölf Anläufe. Das Problem war nicht das Rezept, sondern das Licht. Zu stark, und die cremige Sesampaste wirkte matt; zu schwach, und das Chiliöl verlor seine Tiefe. Wir verschoben die LED-Lampen um Millimeter, änderten Reflektoren, bis plötzlich alles stimmte. Meine Frau flüsterte: „Jetzt nicht atmen.“ Ich tat’s nicht. Der Take lief, die Textur vibrierte, und das metallische Klirren des Schneebesens klang wie ein kleiner Triumphmarsch.

Die Brühe-Szene dagegen trieb uns fast in den Wahnsinn. Hühnerbrühe und Hafermilch in Zeitlupe zu vereinen, klingt simpel – bis man versucht, den exakten Moment einzufangen, in dem sich beide Flüssigkeiten zu einer marmorierten Welle verbinden. Die Motion-Control-Schiene musste sich synchron zur Bewegung des Gießens bewegen, und das Timing-Fenster betrug weniger als eine halbe Sekunde. Verpasst – Neustart. Wir experimentierten mit Temperatur, Konsistenz, Gießhöhe. Irgendwann sagte ich: „Wir sollten der Kelle einen Stunt-Doppelgänger besorgen.“ Doch als es endlich passte – die Flüssigkeiten schwebten ineinander, makellos – mussten wir nur noch lachen.

Der Wok war unser zweites Schlachtfeld. Für das Braten wollten wir einen klaren Lichtstrahl, der sich durch den leichten Rauch zieht. Aber ein kleines Studio ist gnadenlos: Zu viel Qualm, und plötzlich steht man in einer Wolke. Wir wechselten zu Räucherstäbchen – gerade so viel, dass das Licht sichtbar wurde, ohne das Bild zu überfrachten. Das Resultat war fast surreal: feine Lichtbahnen, die das Fleisch im Wok wie einen Filmstar erscheinen ließen. Nach jedem Take öffneten wir Fenster und Türen, hustend und lachend. Wahrscheinlich dachten die Nachbarn, wir hätten ein improvisiertes Nudelrestaurant eröffnet. Aber genau diese Momente sind es, die uns antreiben – das ständige Improvisieren, das kleine Chaos, das Kreativität freisetzt.

Beim Anrichten wurde aus Kochen pure Präzision. Jede Bewegung zählte. Zuerst die Sauce, dann die Brühe, dann die Nudeln – mit dem richtigen Schwung, der auf der Kamera organisch aussieht. Die ruhige Hand meiner Frau war der Schlüssel. Sie verleiht Stillstand Leben. Als das Ramen endlich vollständig war – die Brühe seidig, der Pak Choy leuchtend grün, das Hackfleisch glänzend – wussten wir: Das war mehr als Essen. Es war ein Mini-Film über Textur, Timing und Kontrast.

Die letzten Einstellungen waren unsere Belohnung: Close-ups unter weichem Licht, jede Reflexion genau kontrolliert. Für den finalen Moment setzten wir die High-Speed-Kamera ein – ein einziger Tropfen Brühe trifft auf die Oberfläche und zieht konzentrische Kreise, als hätte das Gericht einen Herzschlag. Dieser Augenblick dauert Sekundenbruchteile, aber auf der Leinwand wirkt er zeitlos. Genau das ist unser Ziel – die perfekte Illusion von Einfachheit, geboren aus geduldiger Präzision.

Am Ende roch das Studio nach Sesam, Chili und Erfolg. Überall standen Objektive, Schalen, Lappen – ein kreatives Schlachtfeld. Meine Frau sah sich den letzten Take an und meinte: „Beim nächsten Mal vielleicht etwas ohne Rauch?“ Ich nickte – und wusste, dass wir es wieder genauso tun würden. Denn genau das macht es aus: Licht, Hitze und Bewegung so lange zu treiben, bis das Bild zu leben beginnt. Kochen und Filmemachen – zwei Welten, die nur dann wirklich glänzen, wenn nichts perfekt läuft. Und genau deshalb lieben wir sie.

Schau es dir hier (noch einmal) an - https://youtu.be/OLt3o0xbaxE

Weiter
Weiter

Mascarpone, Zucker und Slow Motion – Wie wir Tiramisu wie ein Mini-Ballett inszeniert haben